Clement Greenbergs „Avantgarde und Kitsch“

Qin Yan

„Avantgarde und Kitsch“ veröffentlichte Clement Greenberg 1939 in der New Yorker Zeitschrift Partisan Review.1 Im Text diskutiert Greenberg über die feindselige Beziehung zwischen zwei ganz unterschiedlichen, aber im selben Kontext entstandenen Kulturen: Avantgarde- und Kitsch-Kultur. Es wird nicht als ein allgemeines ästhetisches Problem untersucht, sondern wird mit der spezifischen ästhetischen Erfahrung des Einzelnen im sozialen und historischen Hintergrund kombiniert. Im ersten Teil des Textes kommt Greenberg zuerst dazu, was Avantgarde-Kultur ist und warum sie in eine Krise gerät. Beim zweiten Teil geht es darum, was Kitsch-Kultur ist, wie sie entsteht, warum sie so beliebt ist und die Avantgarde-Kultur bedroht. Die Ursachen für diese Situation werden danach in den folgenden Teilen analysiert. Zuletzt setzt Greenberg seine Hoffnung in den Sozialismus, der in der Lage ist, die Klassenwidersprüche zu überwinden und solches Problem zu vermeiden.

Es steht außer Zweifel, dass Greenberg die Kultur in seiner Zeit in einer binären Opposition verankert, und zwar „Avantgarde-Kultur“ und „Kitsch-Kultur“. Nach Greenberg ist die Avantgarde-Kultur eine echte Kultur, während die Kitsch-Kultur als eine synthetische Kultur abwertet wird. Um Kunst und Literatur auf hohem Niveau zu schaffen, kämpfen die Avantgardist*innen gegen den Alexandrianismus bzw. den starren Akademismus mit Begleitung von einem neuen Geschichtsbewusstsein. Im Vergleich zu dem früheren Verständnis über „Avantgarde“ ist die Interpretation Greenbergs tatsächlich bahnbrechend. In der Vergangenheit waren „Avantgarde“ und Politik eng miteinander verbunden. Die Avantgardist*innen, die an der Spitze des sozialen Fortschritts standen, unterstützten politische oder soziale Bewegung durch künstlerische Mittel. Nach Greenberg sollte sich Avantgarde nur auf Form beziehen, die Themen und Inhalte vermeiden oder Inhalte mit Form verschmelzen. Die Kunst wird deswegen von Gesellschaft ferngehalten, sodass sie nicht vom ideologischen Konflikt beeinflusst wird. Der Hauptgedanke dahinter ist L’art pour l’art. Die Avantgardist*innen konzentrieren sich nur auf die Regeln und Verfahrensweisen der Kunst. Die Avantgarde wird als eine Nachahmung des Nachahmens, und zwar die Nachahmung der Verfahrensweise der Kunst verstanden.

Anders als die Avantgarde ahmt der Kitsch aber die Wirkung der Kunst nach. Als ein Produkt der industriellen Revolution ist der Kitsch kommerziell und kann mechanisch hergestellt werden. Warum ist denn die Kitsch-Kultur so beliebt und bedroht die Avantgarde-Kultur? Nach Greenberg hat der Kitsch einerseits den potenziellen wirtschaftlichen Profit. Er kann billig verkauft wird. Andererseits befriedigt der Kitsch die Eitelkeit der neuen städtischen Massen, die „unempfänglich für die Werte der echten Kultur sind, aber dennoch nach der Zerstreuung hungern, welche nur Kultur, gleich welcher Art, verschaffen kann.“ Nach Dwight Macdonald sollte das Regime an dieser Situation schuld sein. Sein staatliches Bildungssystem verführt die Massen zum Kitsch.  Im Gegensatz zu dieser Behauptung ist Greenberg der Ansicht, dass die Fähigkeit zum Reflektieren dabei eine bedeutende Rolle spielt. Diese Fähigkeit ist eine Voraussetzung dafür, ob die Beobachter*innen den Wert in der echten Kunst von dem in der synthetischen Kunst unterscheiden können. Das heißt, dass man nur durch Reflektieren den Wert der Avantgarde erkennen kann. Im Gegenteil dazu kann man den Kitsch mühelos nachvollziehen. Er ermöglicht die Beobachter*innen, die ohne Denkfähigkeit sind, sofort ein angenehmes Gefühl zu bekommen. Ein weiterer Grund für die Beliebtheit der Kitsch-Kultur liegt darin, dass kapitalistische und totalitäre Staaten sie als ein mächtiges propagandistisches Werkzeug verwenden, um die Bevölkerung zu schmeicheln und zu kontrollieren. Die Kitsch-Kultur verhindert nicht nur die Entwicklung der echten Kulturen in diesen Ländern, sondern zerstört auch die einheimischen Kulturen in den Kolonialländer wegen ihres internationalen Einflusses. Das weist hier in gewisser Weise auf die Theorie des Postkolonialismus hin.

Neben diesen äußeren Faktoren gibt es noch die inneren Faktoren. Als eine Elitekultur entfremdet sich die Avantgarde-Kultur dem Publikum wegen ihrer eigenen Spezialisierung. Gleichzeitig enthält die Avantgarde-Kultur selbst auch Widersprüche. Obwohl ihre Kunst von der Gesellschaft getrennt werden muss, hängt ihre Entwicklung immer von den Eliten ab, die in der Oberschicht der Gesellschaft über großen Reichtum verfügen. Aber die Zahl dieser Menschen nimmt rapid ab. Tatsächlich hängt nicht nur die Existenz der Avantgarde-Kultur von der Gesellschaft ab, ihre Kunstform kann auch nicht vollständig ohne die Gesellschaft existieren. Wie Laura Anna Kalba erwähnt, dass sich der Gedanke Greenbergs zu streng auf Form beschränkt, als ob das Schaffen der Künstler*innen keinen Bezug zum breiteren historischen Kontext hätte. Beispielsweise wurden die  Impressionist*innen mehr oder weniger von der Herstellungsweise der Farbe und dem Trend zu der Farbauswahl für Kleidung im alltäglichen Kontext beeinflusst.2 Auch wenn sich die Künstler*innen ganz bewusst den gesellschaftlichen oder politischen Einfluss vermeiden und nur auf die Form konzentrieren wollen, verrät ihre Kunstwerke zwangsläufig das gesellschaftliche Bewusstsein in ihrer Zeit.

In der Tat zeigt der Gedanke Greenbergs, dass die kulturelle Vorliebe davon abhängt, zu welcher gesellschaftlichen Klasse man gehört. Die große Kluft zwischen Avantgarde und Kitsch entspricht der Polarität des Sozialen: auf der einen Seite – die Minderheit der Mächtigen und Gebildeten und auf der anderen – die große Masse der Ausgebeuteten, Armen und Ungebildeten. Nach Greenberg können die Kitsch-Anhänger*innen die Avantgarde-Kultur nicht akzeptieren, weil ihr Lebensumstand ihnen keine Möglichkeit gibt, genug freie Zeit und Energie zu haben, die Denkfähigkeit zu entwickeln und den Wert in der Avantgarde-Kultur zu erkennen. Das Problem kann grundsätzlich nur gelöst werden, wenn sich die sozialistische Produktivkraft auf ein Niveau entwickelt, das allen ermöglicht, die materiellen Voraussetzungen für das Verständnis der Hochkultur zu haben. Der Kapitalismus kann die Mission des Schutzes der echten Kultur nicht mehr übernehmen. Diese wichtige Aufgabe kann nur vom Sozialismus erhofft werden. Dies spiegelt zweifellos den Gedanken des Marxismus wider. Ob es tatsächlich erreicht werden kann, ist jedoch sehr fraglich. Sein Gedanke ist hier eher widersprüchlich. Einerseits betont Greenberg, dass die Avantgarde-Kultur nur von Eliten verstanden werden kann, andererseits hofft er, dass die gesamte Gesellschaft Eliten-ähnliche Lebensbedingungen haben wird, um ihr Lernen von der Hochkultur zu unterstützen.3 Aber die Wahrheit ist, dass die Vision, allen Menschen in einer Gesellschaft ein solches Leben zu ermöglichen, noch in keinem Land verwirklicht wurde.

[1] Greenberg, Clement: Avantgarde und Kitsch, in: ders.: Die Essenz der Moderne. Ausgewählte Essays und Kritiken, hg. v. Karlheinz Lüdeking, Amsterdam/Dresden 1997 [1939], S. 29-55.

[2] Kalba, Laura Anne: Color in the Age of Impressionism: Commerce, Technology, and Art, University Park 2017, S. 13.

[3] In gewisser Weise passt es zu der Beschreibung Thorstein Veblens über die feinen Leute. Veblen, Thorstein: Theorie der feinen Leute. Eine ökonomische Untersuchung der Institutionen, Frankfurt am Main 2007.